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Weltadoptionstag - ein Anlass, diesem Thema Aufmerksamkeit zu schenken

09.11.2023 LJA

Kategorie: Ankündigungen & Infos

Schlagwort: Adoption

Illustration eines Paares mit Kind und ein Bild des Teams der Zentralen Adoptionsstelle.

Interview mit Nicole Kühlkamp von der Zentralen Adoptionsstelle

2022 wurden in Deutschland insgesamt 3.820 Kinder adoptiert, in den neunziger Jahren waren es laut dem Statistischen Bundesamt noch bis zu 8.700 Adoptionsverfahren – und damit etwa doppelt so viel wie derzeit. „Trotz abnehmender Zahlen bewegt das Thema Adoption immer noch viele Menschen, insbesondere natürlich diejenigen, die in direkter Weise davon ‚betroffen‘ sind, weil sie selbst adoptiert wurden oder ein Kind adoptiert haben“, sagt Nicole Kühlkamp. Die LWL-Mitarbeiterin von der Zentralen Adoptionsstelle des LWL-Landesjugendamtes (ZAS) hat zusammen mit ihren vier Kolleginnen täglich mit adoptionswilligen Menschen und adoptierten Kindern zu tun, denn die ZAS hilft bei allen Fragen zur Adoption in Westfalen-Lippe. Sie berät die Fachleute in den Vermittlungsstellen der Jugendämter vor Ort und ist selbst zuständig für Auslandsadoptionen.

 

Frau Kühlkamp, was bedeutet eine Adoption für die Kinder?


Die Entscheidung, dass ein Kind bei Adoptiveltern ein neues Zuhause findet, verändert das gesamte weitere Leben aller Beteiligten: Vor allem erfährt natürlich das Leben der Kinder selbst durch die Adoption eine einschneidende Wendung, an der sie selbst in der Regel aufgrund ihres geringen Alters keinen oder zumindest kaum Einfluss nehmen können. Für sie werden „neue Eltern“ ausgesucht, mit denen sie für ihr gesamtes Leben rechtlich und psychologisch verbunden sein werden. Dies bedeutet, dass die Kinder meist gute Chancen auf ein kindgerechtes Leben haben, in dem Bedürfnisse nach Versorgung, Förderung, Bildung und nicht zuletzt nach Liebe und familiärer Geborgenheit gestillt werden. 

 

Es gibt aber noch eine andere Seite?


Ja, Adoption bedeutet für die Kinder auch, dass sie im Laufe ihres Lebens die Tatsache annehmen müssen, dass die eigene Familie nicht die leibliche ist. Dass sich zum Beispiel im äußeren Erscheinungsbild keine Ähnlichkeiten zu den Adoptiveltern finden lassen. Dass es ein Stück Geschichte gibt, die das Kind mit der Herkunftsfamilie und nicht mit den Adoptiveltern teilt. Und dazu gehört ebenfalls, dass in der Regel im Laufe des Lebens der Adoptierten der Wunsch entsteht, mehr über diesen Teil ihrer Geschichte zu erfahren und vielleicht auch den Kontakt zu der Herkunftsfamilie herzustellen oder auch Distanz halten zu wollen. 

 

Wie erleben Adoptiveltern die Adoption?


Auch für die Adoptiveltern ändert sich das gesamte Leben mit der Aufnahme des Kindes. Denn sie öffnen sich als Familie für dieses nicht leibliche Kind und für dessen bisherige Geschichte. Neben den Aufgaben von Versorgung, Betreuung und Erziehung, die sich nicht von denen leiblicher Eltern unterscheiden, begleiten sie ihr Kind in seiner Auseinandersetzung mit der erlebten Trennung von der leiblichen Familie. Sie unterstützen es dabei, Erklärungen zu finden für die Tatsache, abgegeben worden zu sein. Sie helfen dem Kind, seine eigene Identität mit vielen widerstreitenden Gefühlen zu entwickeln und selbstbewusst durchs Leben gehen zu können – trotz oder auch gerade wegen der gemachten Erfahrungen.

 

Was ist mit den Eltern, die Ihr Kind abgegeben haben?


Für die Eltern ist nach der Abgabe des eigenen Kindes nichts mehr so wie vorher. Menschen, die sich für die Abgabe ihres Kindes entscheiden, befinden sich in ausweglosen, von Not geprägten Situationen, die ihnen ein Leben mit dem Kind nicht ermöglichen. In den allermeisten Fällen sind dies alleinstehende Mütter, die in sehr ungesicherten Lebenssituationen diese schwere und verantwortliche Entscheidung für sich und ihre Kinder treffen müssen. Die Verarbeitung dieses weitreichenden Schrittes bedeutet auch für sie einen lebenslangen Prozess, in dem sie Begleitung und Unterstützung benötigen.

 

Wie können Sie dabei allen Betroffenen helfen?


Die insgesamt zwölf zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter in Deutschland haben die Aufgabe, die Fachkräfte in den Adoptionsvermittlungsstellen in den Jugendämtern durch Fachberatung und Fortbildungsmöglichkeiten zu unterstützen. Die Mitarbeitenden dort haben wiederum die anspruchsvolle Aufgabe adoptionsbereite Menschen auf Ihre Eignung zu prüfen und bereiten sie auf diese Aufgabe vor. Sie begleiten Eltern, die sich mit der Frage der Adoptionsfreigabe ihres Kindes beschäftigen, bei der Entscheidungsfindung und sie stehen allen Beteiligten auch nach Ausspruch der Adoption weiterhin für persönliche Gespräche zur Verfügung. Und sie schaffen Gruppenangebote für Adoptivfamilien zum Austausch und zur Vernetzung mit anderen „Betroffenen“.

 

Aber bei Auslandsadoptionen sind sie direkt gefordert?


Ja, genau. Die Zentralen Adoptionsstellen führen zum einen selbst internationale Adoptionsverfahren durch – in Kooperation mit den Adoptionsvermittlungsstellen der örtlichen Jugendämter und der freien Träger. Zum anderen sind sie für die Anerkennung der Auslandvermittlungsstellen in freier Trägerschaft zuständig. Die Mitarbeitenden der ZAS führen auch Gespräche mit adoptivwilligen Paaren, leiten Informationsveranstaltungen, erstellen Gutachten für die Familiengerichte, knüpfen Kontakte zu den Behörden im Ausland und bereiten die künftigen Eltern auf Besonderheiten der Kulturen und auf mögliche Probleme in Deutschland vor: alles nach den Richtlinien des Haager Adoptionsübereinkommen. Für die seit 2002 in Westfalen über 128 vermittelten Kinder übernehmen wir zusammen mit den örtlichen Jugendämtern ebenfalls die Nachsorge.

 

Hintergrund Adoptionshilfegesetz:

Seit April 2021 verfolgt das damals novellierte Adoptionshilfegesetz das Ziel, allen am Adoptionsprozess Beteiligten für die Bewältigung dieser schwierigen Aufgaben noch umfangreichere Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen. Hierzu zählt zum Beispiel Beratung bei dem Wunsch auf einen weiteren Austausch zwischen dem Kind, den Adoptiv- und Herkunftsfamilien oder die Bereitschaft der Adoptivfamilie, den Herkunftseltern allgemeine Informationen zur Entwicklung des Kindes zugänglich zu machen. Da, wo es sich empfiehlt, kann Hilfe bei der Gestaltung von Kontakten zwischen der Adoptivfamilie und der leiblichen Familie angeboten werden. Das Recht, auch nach erfolgter Adoption professionell begleitet und bei Bedarf an geeignete Fachstellen verwiesen zu werden, zählt ebenfalls zu den Inhalten der gesetzlichen Regelungen.

 

Ihr Kontakt zum Team der Zentralen Adoptionsstelle

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