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RS Nr. 15/2025: Kindertagespflege Vertretungsstützpunkte

23.05.2025 LJA

An die Jugendämter in Westfalen-Lippe

Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen nach §§ 45 ff. SGB VIII - Tageseinrich-tungen für Kinder
Hier: Fachliche Standards für betriebserlaubnispflichtige Vertretungsstützpunkte in der Kindertagespflege (§ 45 SGB VIII)

Sehr geehrte Damen und Herren,

für Eltern und Kindertagespflegepersonen ist die Verlässlichkeit der Betreuung ein wichtiges Anliegen. Der Bundesgesetzgeber hat in § 23 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII geregelt, dass die Jugendämter bei Ausfallzeiten von Kindertagespflegepersonen rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit für die Kinder sicherstellen müssen.
Vertretungsstützpunkte können hierbei eine Möglichkeit der Ersatzbetreuung darstellen. Vertretungsstützpunkte sind in der Regel Einrichtungen im Sinne des § 45a SGB VIII und bedürfen daher einer Betriebserlaubnis.

Vertretungsstützpunkte als betriebserlaubnispflichtige Tageseinrichtungen nach § 45 SGB VIII
Vertretungsstützpunkte werden Stellen genannt, die in dafür vorgesehenen Räumen, durch in der Regel zwei bis drei Personen, während der üblichen Öffnungs- und Betreuungszeiten der Kindertagespflegepersonen in der Umgebung eine Ersatzbetreuung für Kindertagespflegekinder anbieten. Fällt eine Kindertagespflegeperson aus (z.B. durch Krankheit), welche die Kinder grundsätzlich vertraglich gebunden betreut, können diese im Vertretungsstützpunkt im Regelfall betreut werden.

Träger von Vertretungsstützpunkten können die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, Jugendämter und die sonstigen kreisangehörigen Gemeinden sowie Gemeindeverbände sein; aber auch Unternehmen, privatgewerbliche Träger und nicht anerkannte Träger der freien Jugendhilfe. Vertragliche Grundlage sollte eine Betreuungsvereinbarung zwischen dem Träger des Vertretungsstützpunktes und den Eltern sein. Die Vereinbarung wird für eine Betreuung in dem Vertretungsstütz-punkt abgeschlossen, es findet jedoch keine Zuordnung zu den im Vertretungsstützpunkt tätigen Personen statt.

Voraussetzungen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis für einen Vertretungsstützpunkt
Vertretungsstützpunkte bedürfen einer Erlaubnis nach § 45 SGB VIII, wenn die vertragliche und pädagogische Zuordnung des einzelnen Kindes zu einer bestimmten Kindertagespflegeperson nicht gewährleistet werden kann; vgl. § 22 Abs. 4 KiBiz NRW i.V.m. § 45a SGB VIII. In diesen Fällen ist durch den Träger des Vertretungsstützpunktes ein Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis bei den Landesjugendämtern zu stellen.

Für die Erteilung einer Betriebserlaubnis sind folgende fachliche Standards zu erfüllen:

  1. Maximale Kinderzahl

Es sollten grundsätzlich nicht mehr als 9 Kinder gleichzeitig im Vertretungsstützpunkt anwe-send sein. Die Kinder werden normalerweise in der Kindertagespflege betreut und sind es gewöhnt, dass zeitgleich nur maximal 9 Kinder betreut werden. Hierbei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Kinder die ihnen vertraute Kindertagespflegeperson und die gewohnte Umgebung verlassen und es kurzfristig der Eingewöhnung in eine andere Gruppengröße, andere Bezugspersonen und andere Räumlichkeiten bedarf.

  1. Räumliche Gestaltung

Der Vertretungsstützpunkt sollte im Regelfall folgende räumliche Gegebenheiten vorhalten:

  • Ein Gruppenraum
  • Ein Differenzierungsraum
  • Ein Sanitärbereich mit Wickel-/ Pflegebereich
  • Eine Küche bzw. Hauswirtschaftraum

Wünschenswert wäre auch ein angeschlossenes Außengelände.

  1. Qualifikation des Personals

Erforderlich für die Betreuung von Kindern im Vertretungsstützpunkt ist grundsätzlich eine sozialpädagogische Fachkraft als Leitung entsprechend § 4 PersVO NRW und eine weitere erfahrene Kindertagespflegeperson entsprechend § 12 Abs.2 PersVO NRW oder eine Ergänzungskraft entsprechend § 6 PersVO NRW.

Die sozialpädagogische Fachkraft leitet den Vertretungsstützpunkt kontinuierlich.

Zudem ist für die Krankheits- und Urlaubsvertretung im Vertretungsstützpunkt Vorsorge zu treffen. Für die Urlaubsvertretung und eine Krankheitsvertretung von bis zu sechs Wochen kann die Betreuung ausnahmsweise auch von zwei Personen übernommen werden, die erfahrene Kindertagespflegepersonen entsprechend § 12 Abs. 2 PersVO NRW oder Ergänzungskräfte entsprechend § 6 PersVO NRW sind.

Für jede in der Einrichtung tätige Person ist ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen.

  1. Pädagogische Konzeption

Mit der Beantragung der Betriebserlaubnis für den Vertretungsstützpunkt sind die Grund-züge einer entsprechenden individuellen pädagogischen Konzeption darzustellen. Aus dieser soll hervorgehen, welche Ziele und Inhalte die pädagogische Arbeit im Vertretungsstütz-punkt bestimmen und mit welcher Haltung und welchen Methoden diese umgesetzt werden.

  • Die Eingewöhnung der Tagespflegekinder und vormaliger Kontakt

Gewährleistet werden sollte eine fachlich fundierte Eingewöhnung sowie die Möglichkeit der Kinder, den Vertretungsstützpunkt schon vor der ersten Betreuung kennenzulernen.

  • Die pädagogische Arbeit im Vertretungsstützpunkt

Das Personal im Vertretungsstützpunkt hat aufmerksam zu beobachten, welche Bedürfnisse und Befindlichkeiten die Kinder mitbringen. Sie sollten bedürfnis- und situationsorientiert, kindgerechte und spielerische Angebote und Impulse anbieten, die dem Kind helfen seinem Alter, seiner Entwicklung und seinen Interessen entsprechend die Stunden oder den jeweili-gen Betreuungstag im Vertretungsstützpunkt zu verbringen. Dabei sollen sie darauf achten, den Kindern ausreichend Teilhabemöglichkeiten anzubieten.
Mangels einer einheitlichen Kindergruppe im Vertretungsstützpunkt sind die Kinder mit ihrem unterschiedlichen Spiel- und Schlafrhythmus nicht aufeinander eingespielt. Die Bring- und Schlafsituationen im Vertretungsstützpunkt gestalten sich aufwendiger, da in der Regel der gewohnte Rhythmus bei Eltern und Kindertagespflegeperson unterbrochen wird und sich die Kinder auf eine weitere Situation einlassen müssen. Die Handhabung der Ersatzbetreuung hat deshalb mit gesteigerter Sorgfalt, die dem Alter und der Entwicklung der Kinder angemessen ist, zu erfolgen.

Für die Reflektion und Weiterentwicklung der Arbeit in den Vertretungsstützpunkten sollte fachliche Unterstützung, z.B. vom örtlichen Jugendamt oder Spitzenverbänden in Anspruch genommen werden. Insbesondere der fachliche Austausch und der Kontakt der Mitarbeiten-den im Vertretungsstützpunkt zu den vertretenen Kindertagespflegepersonen ist zu gewährleisten.

  1. Konzept zum Schutz vor Gewalt

Der Träger muss vor Aufnahme des Betriebs des Vertretungsstützpunktes mindestens ein individuelles Kinderschutzkonzept in Form eines „Basiskonzepts“ vorlegen, vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB VIII. Dieses unterliegt aufgrund der ständigen Wechsel der betreuten Kinder besonders hohen Anforderungen.

  1. Öffnungs- und Betreuungszeiten

Die Betreuung eines Kindes in einem betriebserlaubnispflichtigen Vertretungsstützpunkt sollte nicht länger als sechs Wochen erfolgen.

Abwesenheitszeiten über sechs Wochen der zu vertretenen Kindertagespflegeperson können im Regelfall durch den Vertretungsstützpunkt nicht abgedeckt werden. Zeichnet sich eine Betreuung eines Kindes über sechs Wochen in einem Vertretungsstützpunkt ab, ist dies den Landesjugendämtern mitzuteilen.

Der zeitliche Rahmen (Öffnungs- und Betreuungszeiten) für die Ersatzbetreuung im Vertretungs-stützpunkt erstreckt sich grundsätzlich über die Zeiten, die vertraglich mit der Kindertagespflegeperson festgelegt wurden, die das jeweilige Kind regulär betreut.

Die zuständigen Fachkräfte der Aufsicht für den jeweiligen Jugendamtsbezirk finden Sie hier: LINK

Daneben bieten sich weitere - nicht betriebserlaubnispflichtige Vertretungsmöglichkeiten an. Vor allem in größeren bevölkerungsdichten Jugendamtsbezirken stellt das Vorhalten eines sog. Springerkräftepools eine Option dar. Genauso geeignet ist die gegenseitige Vertretung von mehreren Kindertagespflegepersonen innerhalb eines Stadtteils sowie Vertretungslösungen in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen. Näheres zu den möglichen Vertretungslösungen für die Kindertagespflege finden Sie in der „Handreichung Kindertagespflege in Nordrhein-Westfalen“. Diese ist online in der Rubrik „Neues zum Handlungsfeld“ unter dem folgenden Link abrufbar: LWL | Kindertagespflege - LWL-Landesjugendamt

Bei Fragen zu der Ersatzbetreuung in der Kindertagespflege steht als Ansprechperson des LWL Landesjugendamt Westfalen-Lippe Frau Beatrice Prinz unter 0251 591 8385 oder beatrice.prinze@lwl.org zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Im Auftrag

gez. Claudia Rauscher
Sachbereichsleitung Fachberatung Kindertagesbetreuung